Vereinswesen Deutschland

Geschichte des Vereinswesens in Deutschland


Das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 gestand den Untertanen Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zu, bei gleichzeitigem Verbot „jeder Beratung politischer Angelegenheiten in Vereinen“. Zur Zeit der Napoleonischen Herrschaft und der Freiheitskriege bildeten sich zahlreiche patriotische Vereinigungen, die die politisch unverdächtigere Bezeichnung Verein (statt Klub oder Gesellschaft) wählten. Bis 1848 ging das Streben der Gesetzgebung in den einzelnen deutschen Staaten dahin, Vereine mit politischer Tendenz zu verbieten und die Abhaltung von Volksversammlungen schlechthin von der Genehmigung der Behörden abhängig zu machen.

Die mit dem Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. Dezember 1848 für anwendbar erklärten Grundrechte garantierten auch das freie Vereins- und Versammlungsrecht (Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit). Den Grundrechten kam allerdings noch kaum praktische Bedeutung zu, da die Gegenrevolution zu diesem Zeitpunkt wieder erstarkt war und mehrere Gliedstaaten des Deutschen Bundes die Veröffentlichung der Grundrechte in ihren Gesetzblättern verweigerten, was nach damaligem Bundesrecht zu deren Inkrafttreten erforderlich gewesen wäre. Schon im August 1851 wurde der Grundrechtskatalog von der Bundesversammlung auch formal wieder aufgehoben. Ein Bundesbeschluss vom 13. Juli 1854 verstärkte die Repression gegenüber entsprechenden Aktivitäten noch.

Gleichzeitig ist allerdings in den letzteren ausgesprochen, dass dieses Recht in seiner Ausübung der Regelung durch besondere Gesetze (Vereins- und Versammlungsrecht im objektiven Sinn) bedürfe, und so war dann auch z. B. das Vereins- und Versammlungsrecht in Preußen durch Verordnung vom 11. März 1850,[5][6] in Bayern durch Gesetz vom 26. Februar 1850, in Sachsen durch Gesetz vom 22. November 1850, in Württemberg durch Gesetz vom 2. April 1848, in Baden durch Gesetz vom 21. November 1867 und in Hessen durch Verordnung vom 2. Oktober 1850 normiert worden.

Danach galten im Wesentlichen folgende Grundsätze:

  • Das Vereinsrecht steht unter obrigkeitlicher Kontrolle (Vereinspolizei)
  • Politische Vereine müssen Statuten und Vorsteher haben, welche, ebenso wie die Mitglieder, der Behörde anzuzeigen sind
  • Minderjährige sind von der Teilnahme ausgeschlossen
  • Dasselbe galt in Preußen bei politischen Vereinen auch für Frauen
  • Ferner sollte nach dem preußischen Vereinsgesetz ein politischer Verein nur als örtlicher Verein geduldet werden, und ebendarum durfte er nicht mit anderen politischen Vereinen in Verbindung treten
  • Sitzungen und Vereinsversammlungen mussten der Obrigkeit angezeigt werden; die Polizei durfte zu jeder Versammlung Beamte oder andere Bevollmächtigte abordnen. Bei ausgesprochener Auflösung durch die Polizeiorgane hatten alle Anwesenden sich sogleich zu entfernen
  • Öffentliche Volksversammlungen müssen 24 Stunden vor ihrem Beginn der Behörde angemeldet werden, und diese ist so berechtigt als verpflichtet, die Versammlung zu verbieten, wenn Gefahr für das öffentliche Wohl oder die öffentliche Sicherheit obwaltet
  • Zu Versammlungen unter freiem Himmel und zu öffentlichen Aufzügen ist polizeiliche Erlaubnis erforderlich
  • Sollen Vereine aus bloßen Gesellschaften zu juristischen Personen (Korporationen) werden, so war zur Erlangung der korporativen Rechte ein besonderer Regierungsakt erforderlich

Artikel 4 Nr. 16 der deutschen Reichsverfassung von 1871 brachte das Vereinswesen in den Kompetenzkreis der Reichsgesetzgebung. Ein Reichsvereinsgesetz kam jedoch erst 1908 zustande. Das Reichswahlgesetz gestattete die Bildung von Vereinen zum Betrieb der den Reichstag betreffenden Wahlangelegenheiten, doch war nach dem Reichsmilitärgesetz den zum aktiven Heer gehörigen Militärpersonen die Teilnahme an politischen Vereinen und Versammlungen untersagt.

Ferner war nach der deutschen Gewerbeordnung (§ 152 f.) für alle gewerblichen Arbeiter das Verbot der Vereinigung zur Erlangung günstigerer Lohnbedingungen aufgehoben (Koalition), doch durfte der Beitritt nicht durch Zwang oder Drohung herbeigeführt werden.

Vereine, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden sollen, oder in welchen gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wurde, waren nach dem deutschen Strafgesetzbuch (§ 128) verboten.

Dasselbe galt für Vereine zu unerlaubten Zwecken (§ 129). Besondere Beschränkungen der Vereins- und Versammlungsfreiheit wurden durch das Sozialistengesetz herbeigeführt. Ausländer, Frauen und Minderjährige konnten nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein.

1964 wurde in der Bundesrepublik Deutschland das Vereinsgesetz erlassen.

In der DDR trat mit der Einführung des Zivilgesetzbuchs der DDR zum 1. Januar 1976 die Verordnung über die Gründung und Tätigkeit von Vereinigungen in Kraft, welche das Vereinswesen regelte. Diese Verordnung wurde mit Wirkung ab dem 21. Februar 1990 durch das Gesetz über Vereinigungen abgelöst, was eine Überleitung in das bundesdeutsche Vereinsrecht ermöglichte.

Das Vereinswesen in Deutschland heute


Schenkt man den Gespräche und teilweise den Berichten glauben, so müsste unsere Vereinswelt vom Aussterben bedroht sein. Die Jugend habe kein Interesse mehr sich in Vereinen zu engagieren und Traditionen weiterzuführen. Das ist sehr bedauerlich. Insgesamt jedoch gilt: Vereine kommen und gehen, aber es kommen sehr viel mehr als gehen. Seit 1970 hat sich die Zahl der Vereine in Deutschland verfünffacht. Derzeit sind rund 39 Millionen Jugendliche und Erwachsene Mitglied in mindestens einem Verein – somit also fast jeder Zweite. Drei von vier Deutschen, die sich in einem Verein engagieren, sind aktive Mitglieder.

2014 wurde der bisherige Höchststand an Vereinen in Deutschland ermittelt – 630.143 Vereine, die im Amtsregister eingetragen waren. Aktuell sind es ca. 598.000 Vereine, die in Deutschland eingetragen sind. Etwa 15 Pro­zent da­von sind Sport­ver­ei­ne, wo­von mehr als ein Vier­tel be­reits vor dem Zwei­ten Welt­krieg ge­grün­det wur­de. Neu ge­grün­de­te Ver­ei­ne wid­men sich vor al­lem der Um­welt und dem Na­tur­schutz, der Bil­dung und Er­zie­hung. Im Ge­gen­satz zum klas­si­schen Ke­gel- oder Ge­sangs­ver­ein sind För­der­ver­ei­ne, de­ren Zahl ste­tig steigt, we­ni­ger ge­mein­schafts­bil­dend, son­dern eher Zweckgemeinschaften zur fi­nan­zi­el­len Un­ter­stüt­zung etwa von Schu­len oder Festen. Bei rund ei­nem Drit­tel al­ler Ver­ei­ne wächst die Mit­glie­der­zahl, bei knapp je­dem vier­ten geht sie zu­rück. Probleme bei den Mitgliedszahlen haben insbesondere politische Vereine. Aber auch karitative, humanitäre, Umwelt- oder Tierschutzvereine stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Unter den Deutschen besonders beliebt sind Sportvereine. Jeder fünfte Bundesbürger verbringt hier seine Freizeit. Daneben gibt es Hobby- und Interessenvereine, Musik- und Gesangsvereine oder auch Kleingarten- sowie Tierzüchtervereine und Kegelklubs.

 Bei der Integration von Migranten spielen Sportvereine eine Rolle, vor allem Fußballvereine. Aber auch andere Vereine haben zur Zukunftssicherung angesichts des demografischen Wandels ein Interesse an der Aufnahme von Migranten bekundet. Unklar ist, ob auch eigenethnische Vereine langfristig zur Integration beitragen oder ob diese umgekehrt zu einer Segregation bzw. Ghettobildung beitragen. Nach Art. 9 GG Abs. 1 ist die Vereinigungsfreiheit ein Deutschengrundrecht; in der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis gilt die Vereinsmitgliedschaft und ehrenamtliche Tätigkeit von Ausländern jedoch als „vereinbar mit nahezu allen Phasen der Verfahren nach dem Asylrecht“. Nach § 19 VereinsGDV ist ein Ausländerverein allerdings innerhalb von zwei Wochen nach der Gründung bei der zuständigen Behörde anzumelden.